VOM STERNEKOCH TIM RAUE ZUBEREITET: SO IST DAS NEUE VEGANE STEAK VON PLANTED WIRKLICH

Planted verspricht mit seinem veganen Steak eine "Revolution der Fleischindustrie". Hat das Startup den Mund zu voll genommen?

Ready for something unreal?, fragt das Food-Startup Planted. In fetten Buchstaben prangt die Frage auf der Website des Unternehmens, ist auf Werbebannern und sogar in Pressemitteilungen zu lesen. Hier wird suggeriert: Macht euch bereit für etwas Großes, etwas Außergewöhnliches.

Was Planted damit ankündigt, ist die Einführung eines Produktes, das neue Maßstäbe setzen soll: ein veganes Steak. Nichts Geringeres als „die Fleischindustrie revolutionieren“ wolle man mit dieser „Produktinnovation“ heißt es in einer Pressemitteilung, die wir zusammen mit einer Einladung zu einer Verkostung erhalten. Dort wird auch ein Bild des veganen Planted-Steaks gezeigt: fleischig pink und saftig sieht es aus. Nur wer reinzoomt, kann minimale Unterschiede zu einem Rindersteak erkennen.

Dieses Bild verschickte Planted mit der Einladung. Was sofort auffällt: Auf anderen Produktbildern ist das Steak weniger rot.

Außerdem verspricht Planted einen „unverwechselbaren Umami-Geschmack“. Foodies läuft spätestens an dieser Stelle das Wasser im Mund zusammen: Umami gilt neben einem süßen, sauren, salzigen und bitteren Geschmack als fünfte Geschmacksrichtung. Der Geschmack wird durch Salze der Glutaminsäure hervorgerufen, die sich unter anderem in fleisch-, fisch- und milchhaltigen Lebensmitteln finden. In der Fleischersatz-Branche ist der Umami-Geschmack damit so etwas wie der heilige Gral, denn er lässt sich kaum imitieren, ohne auf Glutamat oder diverse Zusatzstoffe zurückzugreifen – aber Planted will genau das geschafft haben.

Aber ist das vegane Steak wirklich so gut, wie versprochen? Ich bin Planteds Einladung gefolgt und habe es getestet.

Sternekoch war an der Entwicklung beteiligt

An einem Mittwochmittag mache ich mich dafür auf den Weg zum Berliner Restaurant des Sterne-Kochs Tim Raue. Dort erwartet mich – neben einer Handvoll anderer Presse-Vertreter und etwa doppelt so vielen Influencern – ein Vier-Gänge-Menü mit Planted-Produkten, das die Küchencrew von und mit Tim Raue zubereitet hat. Die Kooperation mit Raue ist kein Zufall: Der Koch hat das Steak, um das es heute vorrangig gehen soll, mitentwickelt.

Seit knapp vier Jahren gibt es in Raues Berliner Restaurant eine vegane Menü-Option. Seitdem bekomme er immer wieder Produkt-Samples zugeschickt, sagt er. Und vieles davon sei Schrott. Auch, weil es sich bei Fleischersatz nicht selten um sehr stark verarbeitete Lebensmittel handelt. „Der Großteil funktioniert nur, weil die da Unmegen von irgendwelchen Pulvern reinkippen“, sagt Raue im Gespräch mit Gründerszene.

Aber bei Planted ist das anders. Überzeugt habe ihn unter anderem die Konsistenz der Produkte. Für sein veganes Menü sei er immer auf der Suche nach etwas, das einen „Widerstand“ biete, wenn man darauf beißt, sagt er. Raue will auch beim Kauen Abwechslung, nicht nur auf dem Teller. Das ist allerdings schwieriger, wenn man vorrangig Gemüse serviert. Das Planted-„Fleisch“ sei das erste Produkt aus dem Fleischersatz-Bereich gewesen, das diese Anforderungen erfüllt. „Ich fand es direkt sehr interessant“, sagt der Koch.

Einziges Problem: Planteds Fokus lag bisher vor allem auf Produkten für den Einzelhandel – dementsprechend waren sie aufbereitet. Geschnetzeltes oder Paniertes kann Raue aber in seinem Fine-Dining-Restaurant nicht servieren. Gäste zahlen dort mehr als 200 Euro für ein Menü. „Dann kann es nicht aussehen wie bei der Döner-Bude um die Ecke“, sagt Raue. Also habe er die Gründer von Planted kontaktiert. Gemeinsam habe man dann das vegane Steak entwickelt.

Vielversprechender Markt

Schon seit einigen Jahren macht Planted pflanzliche Fleisch-Ersatzprodukte und war damit bisher ziemlich erfolgreich: Seit Gründung ist das Schweizer Startup laut eigenen Angaben inzwischen auf 250 Mitarbeiter angewachsen. Und auch der Markt entwickelt sich vielversprechend: Laut Statistischem Bundesamt produzierten Unternehmen in Deutschland 2022 fast 73 Prozent mehr Fleischersatzprodukte als noch drei Jahre zuvor. Und Experten prognostizieren weiterhin einen starken Wachstum. Unter anderem der deutsche Wurst-Gigant Rügenwalder Mühle plant, komplett auf vegetarische und vegane Produkte umzusteigen.

Viele Planted-Produkte kann man im Einzelhandel kaufen – darunter Schnitzel, Geschnetzeltes, Würste oder seit Kurzem auch Hähnchenbrust. Das Steak markiert nun aber eine neue Produktkategorie: Fleischersatz, der mithilfe von Fermentation hergestellt wird. Dafür hat das Startup eine eigene Technologie entwickelt: Das Steak wird auf Basis von Sojaprotein, Bohnen- und Reismehl hergestellt und mithilfe einer speziellen Mischung sogenannter mikrobiellen Kulturen in mehreren Schritten fermentiert. Dadurch soll das Produkt auf natürlichem Weg eine fleischähnliche Konsistenz bekommen. „Vor vier Jahren haben wir mit diesem Verfahren begonnen“, sagt Co-Gründerin Judith Wemmer.

Um das möglich zu machen – und auch in Serie produzieren zu können – gaben Investoren Mitte 2022 in einer Series-B-Runde 70 Millionen Euro. Von dem Geld hat Planted unter anderem eine Fermentationsanlage in Kemptthal in der Schweiz bauen lassen. Die neue Produktionsstätte habe 30 technische und betriebliche Arbeitsplätze geschaffen, gibt das Unternehmen an.

Die Planted Steaks werden in der eigenen Fabrik bereits in Serie hergestellt und werden aktuell in ausgewählten Restaurants serviert.

Der erste Eindruck enttäuscht mich

Seit Kurzem ist das Planted Steak Teil von Raues Menü. Die Roh-Version des Fake-Steaks wird ab 14. Mai auch in verschiedenen Supermarkt-Ketten zu kaufen sein. Es ist das gleiche Produkt, das auch Raue verwendet. 140 Gramm kosten dann 3,99 Euro. Zubereitet wird es in der Zwei-Sterne-Küche allerdings ähnlich aufwendig wie ein echtes Stück Fleisch; in zahlreichen Arbeitsschritten, mit mehreren beteiligten Köchen.

So auch an diesem Mittwochmittag. Raue und sein Team servieren das Steak dem Publikum im dritten Gang – als Pfeffersteak, mit Zwiebeln und Knoblauch.

In der Realität ist das Planted Steak eher braun-beige als fleischig-pink.

Kaum einen Termin hatte ich in den vergangenen Wochen so gespannt erwartet, wie diesen. Denn persönlich setze ich große Hoffnungen in den Fleisch-Alternativen-Markt. Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) haben Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahren immer weniger Fleisch gegessen. Der Pro-Kopf-Verzehr lag demnach im Jahr 2022 bei 52 Kilogramm pro Kopf – das ist nicht nur der niedrigste Wert seit Beginn der Verzehrsberechnung im Jahr 1989, sondern auch rund 15 Prozent weniger als im Jahr davor (60,9 Kilo pro Kopf). Als Top-Gründe für den Fleischverzicht gelten Klimaschutz, Tierwohl und Vorteile für die Gesundheit, die inzwischen zahlreiche Studien belegen. Laut einer Studie der Universität Oxford haben Vegetarier beispielsweise ein um ein Drittel geringeres Risiko, wegen einer koronaren Herzerkrankung ins Krankenhaus zu kommen oder zu sterben.

Ich bin weder Veganerin noch Vegetarierin – aber ich esse höchstens zwei- oder dreimal im Monat Fleisch. Und ich kenne viele Fleisch-Alternativ-Produkte. Meine persönliche Meinung ist, dass die Produkte von Planted zu den besten auf dem Markt gehören. Aber als mir das von einer Sterne-Küche zubereitete Planted Steak vorgesetzt wird, bin ich aber dann doch ein bisschen enttäuscht.

Planted hatte mit der Ankündigung des Produkt-Launches extrem viel versprochen. Die Produktbilder, die das Unternehmen verbreitet hatte, zeigen etwas, das tatsächlich aussieht wie ein Steak. Aber jetzt, wo das Planted Steak live vor mir liegt und immerhin von einer Sterne-Küche zubereitet wurde, ist mein allererster Gedanke: Nein, das ist kein Fleisch. Vor allem die ins Beige gehende Färbung verrät, dass durch diese Sehnen niemals Blut geflossen sein kann. Und auch die Struktur entpuppt sich beim zweiten Hinschauen schnell als pflanzlich. Sie erinnert mich eher an einen Portobello-Pilz, als an Fleisch.

Auch beim Anschneiden vermisse ich die rote Färbung, wie sie mir auf Bildern versprochen wurde.

Essen ist emotional

Jetzt kann man natürlich an dieser Stelle mehrere Augen zudrücken und einwenden: Warum muss ein pflanzliches Produkt überhaupt aussehen wie Fleisch? Aber tatsächlich wird der Look and Feel von Fleischersatzprodukten entscheidend sein, wenn es darum geht, auch Fleischesser davon zu überzeugen. Essen ist nämlich weit mehr als nur eine Nahrungs- und Energie-Aufnahme. Essen ist hochemotional. Gerade in einem Land, dessen eigene Küche sehr fleischlastig ist, verknüpfen die Menschen wichtige Erinnerungen mit Fleischgerichten. Wer – so wie Planted – das noble Ziel hat, Produkte zu machen, die Menschen anstelle von Fleisch, aber mit den gleichen Rezepten verarbeiten können, der legt großen Wert darauf, dass auch das Äußere stimmt. Nur eines ist noch wichtiger: der Geschmack.

Mein erstes Stück des Planted Steaks fällt vor allem durch seine Saftigkeit auf. Beim Kauen läuft mir der „Fleisch“-Saft des Fake-Steaks zwischen die Zähne – tatsächlich wie bei einem echten Steak. Das habe ich bei anderen Fleischersatz-Produkten bisher nicht erlebt.

Tim Raue hat mir im Vorfeld verraten, dass er das Planted Steak dünstet, damit es richtig schön saftig wird. Aber auch unabhängig vom Handwerk und Know-how des Sterne-Kochs, wirbt Planted damit, dass sein Steak unter anderem diese Eigenschaft so besonders macht. Gründerin Judith Wemmer verspricht an diesem Tag: „Unser Steak bekommt man immer richtig schön saftig hin – außer vielleicht, man stellt sich beim Kochen wirklich blöd an, dann kann ich es nicht versprechen.“

Kein Umami

Beim zweiten Bissen konzentriere ich mich auf den Geschmack. Wir erinnern uns: Planted verspricht „Umami“. Ich denke dabei an Fleischbrühe, an Blauschimmelkäse, an Ramen oder eben: an Steak. Im Planted Steak schmecke ich aber nichts davon. Weil ich Umami erwartet habe, schmeckt es für mich fast etwas fad. Und tatsächlich erinnert es mich auch an den Geschmack des Planted Chicken, das im vorherigen Gang serviert wurde. Es ist ein typischer Nachgeschmack, den Menschen kennen, die schon öfter Fleischersatzprodukte gegessen haben.

An dieser Stelle möchte ich betonen: Das Planted Steak schmeckt wirklich nicht schlecht und fühlt sich im Mund erstaunlich gut an. Und um mich herum scheinen tatsächlich viele Menschen ziemlich überzeugt zu sein. Ich höre „Wow!"s und „Boah!"s. Vielleicht hat Planted mit seiner Marketing-Strategie also doch etwas richtig gemacht.

Aber gerade im Fine Dining-Bereich würde ich persönlich ein schön zubereitetes Stück Gemüse dem Fake-Steak vorziehen. Karotten, Spitzkohl – all das hat die Power, die ich im Planted Steak vermisse. Auch, weil sie mir so explizit versprochen wurde. Und ich bin mir sicher: Steak-Liebhaber wird es nicht zufriedenstellen. Aber genau das ist das Ziel, wenn Planted davon spricht, „die Fleischindustrie zu revolutionieren.“ Planted muss sich an dieser Stelle – wie andere Startups auch – an seinen großen Versprechungen messen lassen.

Hoffnungsträger: Vegane Pastrami von Planted

Aber auch wenn das Steak für mich die Erwartungen nicht erfüllen konnte, verlasse ich das Dinner hoffnungsvoll. Denn in sehr positiver Erinnerung geblieben ist mir etwas anderes: ein Produkt, das an diesem Tag eigentlich nur die Nebenrolle spielen sollte, für mich aber deutlich herausstach:

Im ersten Gang servierte Raue eine vegane Pastrami von Planted, die es in sich hatte. Denn da war er: der Umami-Geschmack! Vielleicht kommt sie ja doch noch – die Revolution der Fleischindustrie.

Planteds Pastrami kann was!

Auch Raue selbst sagt: „Das Steak ist sehr gut, aber die Pastrami ist exzellent, die ist Ficken 5000!“ Auch deshalb habe er sich dafür ausgesprochen, sie ebenfalls an diesem Tag zu servieren, obwohl es die Pastrami noch nirgends zu kaufen gibt. Wann es so weit sein wird, konnte Gründerin Wemmer noch nicht abschätzen. Gerade sei man noch dabei, das Produkt zu skalieren. Neugierige müssen sich wohl also noch gedulden. Und dann heißt es wirklich: Ready for something unreal?

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